Interview mit dem Kultursminister von Mecklenburg-Vorpommern

Mathias Brodkorb2Interview des MV-Kultusministers Herrn Brodkorb in der Ostsee-Zeitung vom 07. Oktober 2014

http://www.ostsee-zeitung.de/Region-Rostock/Rostock/Volkstheater-braucht-mehr-Relevanz
http://www.ostsee-zeitung.de/Region-Rostock/Rostock/Kultur/Intendant-appelliert-an-die-Buergerschaft-Rostock-hat-das-Beste-verdient
Dieses Interview zu Beginn der neuen Spielzeit des Volkstheaters Rostock reiht sich als Beitrag ein in den seit einigen Wochen wieder dynamisch geführten politischen Diskurs seitens der Rostocker Bürgerschaft über die Zukunft des Volkstheaters Rostock.

Antje Jonas
Vorsitzende der „Freunde und Förderer Volkstheater Rostock e.V.“
Der nachfolgende Beitrag gibt ausschließlich die persönliche Sicht der Autorin wieder.

 

Das Rostocker Theater hatte eine große Vergangenheit

Das Volkstheater Rostock steht in einer über 200-jährigen Tradition. Bereits 1786 wurde in der Nähe des Steintores ein Haus gebaut. Bürger der Hansestadt finanzierten und besuchten es. Als das Gebäude abbrannte, entstand ein großer repräsentativer Neubau unweit des vormaligen Standortes. Nach kurzer Bauzeit, wiederum finanzierte das Bürgertum der Stadt sein Theater, konnte es 1895 (wieder)eröffnet werden. 1942 wurde Rostock bombardiert. Das Gebäude erhielt mehrere Treffer und brannte fast vollständig aus. Dennoch: Seit 1895 gilt die neue Zeitrechnung des Theaters in Rostock, das nunmehr als Volkstheater Rostock vor wenigen Tagen seine 120. Spielzeit eröffnet hat. Das Theaterspektakel „Stapellauf“ unter der Regie des neuen Intendanten Sewan Latchinian weckte sogar bundesweit großes Interesse und begeistert das Publikum.
Die sozialistische Zeit vor der Wende war gekennzeichnet durch die besondere politische und theaterästhetische Positionierung des Hauses unter dem Intendanten Hanns Anselm Perten. Zu Beginn des 20. Jahrhunderts hatte Rostock sehr erfolgreich Wagner-Opern inszeniert. Diese beiden Traditionslinien spielten nach der Wende allerdings keine Rolle mehr. Das Wissen um diese beiden Traditionslinien muss erst wieder vergegenwärtigt werden. Gespielt wird seit 1945 in einem Provisorium, dessen Kern ein altes Veranstaltungshaus ist, um mit Anbauten versehen wurde. Die Theatertechnik ist hoffnungslos veraltet. Das Theatergebäude des Volkstheaters Rostock verliert im Jahr 2018 seine technische Betriebsgenehmigung.

 

Die Gegenwart des Theaters in Rostock scheint überkomplex
Nach 1990 kam es zu vielen Intendantenwechseln, das hauseigene Marketing ließ einiges zu wünschen übrig; das Repertoire konnte mit dem rasanten gesellschaftlichen Wandel nicht Schritt halten, Publikum ging verloren, die Tageszeitungen berichteten kontinuierlich und spiegelten den fortschreitenden Bedeutungsverlust des Hauses für die Kunst- und Kulturszene der Stadt. Die Stadtgesellschaft befand sich zudem im Umbruch: Werftenschließung, Abwanderung tausender Rostocker, neue Möglichkeiten der Freizeitgestaltung usw. Dann wurde wegen Brandschutzmängeln das Haus ganz geschlossen; der Umzug in ein Theaterzelt verursachte vermutlich einen weiteren Rückgang an Besuchern. Das Ensemble indes hat während all der Jahre der enormen Belastung sehr respektabel gearbeitet. Immer wieder gab es herausragende Leistungen, auch Uraufführungen und sehr viele ausverkaufte Abende.
Die Bürgerschaft der Hansestadt Rostock als größter Stadt des Landes Mecklenburg-Vorpommern bekennt sich nur halbherzig zu seinem traditionsreichen Haus und damit zu einer der fünf Traditionen der Stadt (Kirche, Hanse, Universität, Maritime Wirtschaft, Theater). Vor über zwanzig Jahren wurde der Beschluss gefasst, einen Theaterneubau zu realisieren. Seitdem streiten Bürgerschaft und Verwaltung über einen geeigneten Standort. Viel Papier mit Standortgutachten usw. ist geschwärzt worden, passiert ist de facto nichts. Der Eindruck entsteht, dass besagte Gremien ihr Theater nicht lieben, es aber auch nicht abschaffen wollen. Mit etwa 130.000 Besuchern im Jahr 2013 spielt das Volkstheater nur etwa acht Prozent der Kosten ein, in der Tat zu wenig. Die Stadt hingegen prosperiert, hat Zuzug und ist in der Lage, Schulden ans Land zurückzuzahlen. An der Universität studieren etwa vierzehntausend junge Leute. In Rostock arbeitet die Hochschule für Musik und Theater sehr erfolgreich. Hier sind etwa 500 Kunststudenten immatrikuliert.


Und in Zukunft?
Die unentschiedene und zunehmend nur fiskalisch geführte Theater-Diskussion seitens der Stadt und auch der Stadtgesellschaft erfährt eine Dynamisierung durch die Rolle, die das Land spielt. Die Landesregierung gibt bei einem Gesamtetat von 7000 Millionen lediglich 35,8 Millionen Euro für alle Theater und Orchester aus. Das entspricht 0,5 Prozent aller Landesmittel! Diese Summe ist zudem seit Jahren nicht an die Inflationsrate angepasst worden, sodass die Häuser, darunter Rostock, netto weniger finanzielle Unterstützung bekommen als noch vor fünf oder zehn Jahren. Da alle Verhandlungen mit dem Land scheiterten und auch die neun Modelle der vom Land bestellten Firma METRUM nicht dazu führten, den Gesamtprozess kommunikativ glaubwürdig zu gestalten, und auch nicht dazu dienten, die Verdienste der Häuser zu würdigen, sondern Strukturen herbeizuführen, die in Zukunft tragfähig sein sollen, mussten alle Häuser schmerzhafte Anpassungsleistungen erbringen. In Rostock ging eine Spielstätte verloren, weil das Volkstheater die Miete an die Stadt nicht mehr zahlen konnte. Nun steht das Theater im Stadthafen im Grunde genommen leer, abgesehen von jungen Künstlern der HMT und der freien Szene, die darin auftreten dürfen. Doch der diese Nutzung ermöglichende Vertrag endet demnächst. Stellenabbau , keine Nachzahlung von tariflich garantierten Lohnerhöhungen, anstehender Haustarifvertrag für das Orchester, Austritt aus dem Bühnenverein, alles dies sind Rostocker Maßnahmen zum Schutz der vier Sparten, für deren Erhalt sich 2013 über dreizehntausend Rostocker mit ihrer Unterschrift ausgesprochen hatten.
Diesen Hintergrund gilt es zu beachten bei der Lektüre des OZ-Interviews des Ministers (Verlinkung). Die darin veröffentlichten Formulierungen sind im Grunde nicht neu und stellen ein Statement eines SPD-Politikers mit Wahlkreis in der Rostocker Innenstadt dar, in der sich auch das Theater befindet. Vielleicht soll das Interview in der Tat eine neue Qualität des kommunikativen Stils andeuten. Wünschenswert und wahrlich not-wendig wäre dieser Mentalitätswechsel, da die politische Diskussion in Stadt und Land sowie zwischen Stadt und Land längst in unannehmbarer Weise von Befindlichkeiten geprägt zu sein scheint denn von einer sachbezogenen und zugleich mit Empathie vermittelnden Kunst der Verhandlung. Die Zeit drängt. Beide Prozesse, der Prozess der inhaltlichen und strukturellen sowie finanziellen  Ausgestaltung der Rostocker Theaterzukunft mit vier Sparten einerseits und der Neubauprozess andererseits müssen miteinander entwickelt werden, nicht nacheinander. Das ist eine anspruchsvolle Aufgabe für alle am Diskurs Beteiligten.

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