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Rostock

Entlassung Sewan Latchinian "Der Unbequeme muss gehen" - "Nein" ist die Reaktion auf die Entlassung

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von cl
erschienen am 13. April 2015

Die Entlassung und die Reaktionen auf die Entlassung - ein Überblick

Zur Person: Sewan Latchinian, 1961 in Leipzig geboren, ist ausgebildeter Schauspieler und seit 1993 als Regisseur tätig. Nach Stationen als Oberspielleiter am Rheinischen Landestheater Neuss und der Neuen Bühne Senftenberg trat er 2014 seinen Fünfjahresvertrag als Intendant des Volkstheaters Rostock an.

31.3.2015 Der Intendant Sewan Latchinian wurde nach nur sieben Monaten Tätigkeit vom Hauptausschuss der Hansestadt Rostock mit 5 Stimmen pro und 5 Stimmen contra plus die entscheidende Stimme des Oberbürgermeisters Roland Methling mit sofortiger Wirkung fristlos entlassen. Grund für die Entlassung ist Latchinians Vergleich der Theaterpolitik Mecklenburg-Vorpommerns mit der Kulturzerstörung durch die Terrormiliz Islamischer Staat in einer Rede gegen die Theaterfusionspläne der Landesregierung bei einer Demonstration in Neustrelitz am 9. März sowie Aussagen Latchinians in einem Interview mit der Zeitschrift „Oper und Tanz". Methling hatte die Meinung vertreten, dass Latchinians Äußerungen gegen den Charakter seines bis Juli 2019 laufenden Vertrags verstießen.

01.04.2015 Kommentar: Rausschmiss des Intendanten von Michael Meyer (Ostsee-Zeitung)

„Es ist so armselig, dass man Mitleid haben müsste mit diesen Kommunalpolitikern – wären die Folgen dieser Entscheidung nicht so fatal. Rostock macht den Intendanten des Volkstheaters, Sewan Latchinian, einen Kopf kürzer, nachdem der einen ohne Zweifel unangebrachten Vergleich mit IS-Terrorosten gezogen hat. Da hätte eine Abmahnung nicht nur genügt, sie wäre auch intelligent gewesen.

So aber stellen diese Bürgerschaft und Oberbürgermeister Methling mit ihrer kurzsichtigen Entscheidung exakt das unter Beweis, was Latchinian ihnen vorwirft: Inkompetenz und Unfähigkeit! Dieser Rausschmiss wird jede Menge Geld losten. Es wird sich mal wieder ein juristischer Rattenschwanz dranhängen – unter diesem OB ja Folklore. Rostock wird in der bundesweiten Kulturlandschaft zur Lachnummer und hat bewiesen, das es für die Größe dieses Künstlers zu provinziell ist. Das Volkstheater ist damit tot! Künstler zu bekommen oder zu halten ist aussichtslos. Aber das ist politischer Wille in dieser Stadt. Grausam! Ein Kulturabbau, der in Deutschland seinesgleichen sucht."


01.04.2015 Christian Rakow im Interview mit Sewan Latchinian über seine fristlose Entlassung als Intendant des Volkstheaters Rostock (nachtkritik.de)

Herr Latchinian, wie haben Sie die Nachricht Ihrer gestrigen Entlassung aufgenommen?

 

Emotionen kann man bei so viel unverständlichem Treiben kaum mehr haben, selbst als leidenschaftlicher Theatermann. Ich bin mit mir im Reinen, ich habe gekämpft, solange man mich hat kämpfen lassen. Ich habe gestern großartige Unterstützung erlebt durch die 300 Demonstranten, die das Rathaus friedlich besetzt haben. Ich finde es auch ein ermutigendes Signal, dass die Abstimmung so knapp ausgefallen ist, dass nur eine Stimme Mehrheit den Ausschlag gegeben hat – und zwar die des Oberbürgermeisters, wie man heute weiß. Und ich freue mich, dass ganz viele Kräfte im Theater und im politischen Raum versuchen, diesen Beschluss durch eine neue Bürgerschaftssitzung wieder zurück in die Bürgerschaft zu ziehen und zu ändern.

Werden Sie gegen Ihre Entlassung gerichtlich vorgehen?

Selbstverständlich. Ich ziehe sofort vor Gericht und alle Arbeitsrechtler, die man fragt, sagen, die Sachlage ist eindeutig, ich müsste um eine halbe Million Euro kriegen. Da ich die möglicherweise aus dem Etat des Volkstheaters bekommen würde, will ich die gar nicht unbedingt haben. Ich würde nur gerne meine Arbeit hier fortsetzen.

 

Stand denn in Ihrem Vertrag eine Klausel, dass Sie Strukturmaßnahmen am Volkstheater mittragen?

Nein, überhaupt nicht. Sie erinnern sich ja: Es war eine Ausschreibung für vier Sparten. Alles andere ist außerhalb irgendwelcher Beschlüsse begonnen worden zu diskutieren.

 

Das heißt, die Entlassung bezieht sich ausschließlich auf Ihre öffentlichen Äußerungen?

Ja, und eben auch auf die Äußerungen zu den Strukturbeschlüssen, die kürzlich gefasst wurden: also den Abbau von zwei Sparten so nicht umsetzen zu können. Das habe ich auch gestern wiederholt und dazu aufgerufen, dass wir alle endlich anfangen, eine ernsthafte Kultur- und Strukturdebatte miteinander zu führen. Und es nicht zu einer Personaldiskussion zu verengen.


Sie haben den Spielplan des Volkstheaters sehr stark geprägt, mit vielen eigenen Regiearbeiten. Was bedeutet Ihre Entlassung für das Repertoire?

Es fallen schon in diesem Monat etliche Vorstellungen aus, in denen ich als Schauspieler mitgewirkt habe. Das Uraufführungsprojekt "Second Hand Zeit" nach Swetlana Alexijewitsch, unsere Kooperation mit der Hochschule für Musik und Theater, die ich am Freitag begonnen habe, muss abgebrochen werden. Die Studierenden stehen zwei Monate ohne ihren Studienzweck da und das Theater ohne eine spannende Uraufführung. Über den "2. Stapellauf – Toleranz" gar nicht zu reden. Natürlich wird es einige Musiktheater- und Tanztheaterpremieren geben können. Aber was im Schauspiel passiert, ist im Moment komplett unabsehbar.


Das heißt, alle Arbeiten, an denen Sie als Regisseur oder Darsteller beteiligt sind, sind betroffen?

Alle zukünftigen. Ich habe nicht vor, meine bisher hier gemachten Arbeiten zurückzuziehen. Das wäre eine Bestrafung des Publikums. Natürlich können "Der zerbrochne Krug" oder "Der Geizige" weiterhin laufen.


Wer wird die Interimsgeschäfte führen?

Ich höre, dass das mein kaufmännischer Geschäftsführer Stefan Rosinski machen soll. Mehr kann ich dazu nicht sagen. Ich weiß nicht, ob er das macht, in was für einem Grad er dann auch künstlerisch Verantwortung übernehmen soll und will. Das möchte ich im Moment nicht kommentieren.

Es gibt jedenfalls im Moment keinen Generalmusikdirektor, keinen Schauspieldirektor und keinen künstlerischen Geschäftsführer. Das ist eine Situation, die ging, als es mich noch gab, die aber jetzt verheerend ist.

Weil sie die Tätigkeiten des Generalmusikdirektors miterledigt haben?

Ja, gewissermaßen "miterledigt", aber in einer Symbiose mit einem neu installierten Chefdramaturgen für Musiktheater und Konzert. Und das hat gut funktioniert. Es war der finanziellen Lage geschuldet, dass man diese Posten nicht besetzen konnte. Aber das rächt sich jetzt. Es gibt fast keine Mittelebene unterhalb des künstlerischen Geschäftsführers. Und das macht mich sehr besorgt. Aber ich darf im Moment nichts mehr tun.

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01.04.2015 Offener Brief der Genossenschaft Deutscher Bühnen-Angehöriger und der Vereinigung deutscher Opernchöre und Bühnentänzer e. V. (THEATERDERZEIT.DE)

 

Der Präsident Jörg Löwer und die Landesvorsitzende Nord der Genossenschaft Deutscher Bühnen-Angehöriger Sabine Nolde sowie Gerrit Wedel, stellvertretender Geschäftsführer der Vereinigung deutscher Opernchöre und Bühnentänzer, wenden sich gegen die Entscheidung den Rostocker Intendanten Latchinian zu entlassen:

Mit knapper Mehrheit hat der Hauptausschuss der Rostocker Bürgerschaft den Intendanten des Volkstheaters in der Hansestadt, Sewan Latchinian, fristlos gekündigt. Vorwurf: Sein Vergleich der desaströsen Kulturpolitik Mecklenburg-Vorpommerns mit Kulturzerstörungen im Irak. Und vor allem: Latchinians vorgebliche Weigerung, den von der Bürgerschaft beschlossenen Spartenabbau umzusetzen. Ob diese Gründe für diesen Rauswurf juristisch tragfähig sind, müssen die Arbeitsgerichte entscheiden.

Für das Volkstheater Rostock und seine Beschäftigten ist der Schaden in jedem Fall groß und irreparabel:

Der kaufmännische Geschäftsführer Stefan Rosinski soll zunächst die Leitung des Hauses übernehmen – künstlerisch entsteht so ein Vakuum: Der Intendant hatte nicht nur selbst inszeniert, sondern war auch Schauspieler. Wer tritt in diesen drei Funktionen an seine Stelle? Generalmusikdirektion, Operndirektion
und Schauspieldirektion fehlen dem Volkstheater ohnehin schon.

Falls doch ein neuer Intendant gesucht werden sollte, würden die Rostocker Kulturpolitiker wohl nur in der dritten Reihe fündig: Nach Latchinian käme im besten Falle ein willfähriger Nachfolger, der die Zwei-Sparten-Strategie exekutiert.

Und eine Vermutung bleibt bestehen: Zwar hatte die Rostocker Bürgerschaft eine Fusion der Theater Rostock und Schwerin in der Vergangenheit eindeutig abgelehnt. Soll jetzt ein solches Modell durch die Hintertür installiert werden? Der Rostocker Intendanten-Posten vielleicht gar nicht wieder besetzt werden,
um eine gemeinsame Intendanz Schwerin-Rostock zu installieren? Das Rostocker Volkstheater würde dann als Bespieltheater aus der Landeshauptstadt mitversorgt werden. Eine Kehrwende innerhalb von
neun Monaten von einer Personalentscheidung für ein Vier-Sparten-Theater bis zum exakten Gegenteil inklusive arbeitsrechtlicher Konsequenzen für den Befürworter dieser Linie erscheint begründungsbedürftig.

Ganz konkret würde eine Abfindungszahlung mit in Sicherheit mehrfacher sechsstelliger Höhe für den ehemaligen Intendanten Latchinian, dessen Vertrag bis 2019 gelaufen wäre, den ohnehin engen Finanzplan des Hauses zusätzlich belasten. Nähme man alle Abfindungen für die geschassten Intendanten der
letzten Jahre, hätte sich jede Strukturdebatte in finanzieller Hinsicht vermutlich erledigt.

Diese Entlassung ist ein in ihren Konsequenzen völlig undurchdachter Schnellschuss, der die ohnehin schwierige Lage in Rostock eskalieren lässt. Womöglich hatte Latchinian doch Recht: In Mecklenburg-Vorpommern soll immaterielles Weltkulturerbe mit der Brechstange zerstört werden.

 

 

01.04.2015 Offener Brief von Ulrich Khuon und Holger Schultze an Herrn Oberbürgermeister Roland Methling (THEATERDERZEIT.DE)

Der Vorsitzende der Intendantengruppe des Deutschen Bühnenvereins 
und Intendant des Deutschen Theater Berlin Ulrich Khuon und Holger Schultze,
Vorsitzender des Künstlerischen Ausschusses des Deutschen Bühnenvereins 
und Intendant des Theater und Orchester Heidelberg, reagieren in einem gemeinsamen offenen Brief an den Oberbürgermeister der Stadt Rostock auf die Entlassung des Intendanten Sewan Latchinian:

Sehr geehrter Herr Methling,

mit großer Bestürzung haben wir die fristlose Entlassung des Rostocker Theaterintendanten Sewan Latchinian durch Sie und den Hauptausschuss der Bürgerschaft zur Kenntnis genommen. Wir missbilligen diese Vorgehensweise zutiefst.

Es ist offensichtlich, dass Sie durch dieses Manöver von der eigentlichen Problematik ablenken wollen: nämlich dass Sie eine katastrophale Zerstörung der Strukturen des Rostocker Theaters durchführen und ein Vierspartenhaus zum Zweispartenhaus amputieren. Dies ist für uns inakzeptabel. 
Stillos und unkorrekt ist es auch, einen Intendanten unter Vortäuschung falscher Tatsachen (Vierspartenhaus) ans Theater Rostock zu engagieren und diesem anschließend die Arbeitsgrundlage zu entziehen.

Sicher kann man die Äußerungen von Herrn Latchinian in der Öffentlichkeit kritisch sehen, dennoch stellen sie keinen ausreichenden Grund für eine Kündigung dar. Sie benutzen diese Entlassung als Vorwand, nicht nur um die Strukturen zu schwächen und das Theater weiter in seiner Handlungsfähigkeit einzuschränken, sondern auch um den Spartenabbau rascher und ohne einen Intendanten, der sich für sein Theater einsetzt, durchzuführen.

Wir fordern Sie auf, die fristlose Kündigung zurückzunehmen, da Sie hiermit sowohl dem Theater als auch der Stadt Rostock großen Schaden zufügen.

Mit freundlichen Grüßen 
Ulrich Khuon 
Vorsitzender der Intendantengruppe des Deutschen Bühnenvereins 
Intendant Deutsches Theater Berlin

und

Holger Schultze
Vorsitzender des Künstlerischen Ausschusses 
des Deutschen Bühnenvereins 
Intendant Theater und Orchester Heidelberg

 

 

02.04.2015 Volkstheater Rostock: „Keine Angst. Wir schlingern vielleicht, aber wir kämpfen um den Käpt'n und um alle vier Sparten."

02.04.2015 Volkstheater Rostock: „Liebes Publikum, natürlich spielen wir für Sie. Aufgrund der Abberufung des Intendanten Sewan Latchinian muss jedoch die Vorstellung DER MODERNE TOD am 4. April ersatzlos ausfallen, die Inszenierung wird abgesetzt. ..."


 

 

04.04.2015 AUFRUF „2VOR12 INITIATIVE VOLKSTHEATER"

Wenn Kunst und Kultur nicht via Grundgesetz von Staates wegen geregelt und geschützt werden, dann braucht es starke und gebildete Politiker, um dieses Grundbedürfnis durchzusetzen. Aber der Kulturbegriff wird mangels Bildung immer mehr verzerrt und gefährdet und Schritt für Schritt dem Kommerz geopfert.
Die skandalöse und völlig überzogene Amtsenthebung des Intendanten des Volkstheaters Rostock Sewan Latchinian aufgrund politisch durchaus unkorrekter Äußerungen senkt die Hemmschwelle für politische Willkür in den Ländern weiter und macht es vielen leidenschaftslosen Verwaltern der Länder und
Gemeinden leicht und leichter, unsere, in der Welt einzigartige Theaterlandschaft zu zerstören. Rostock ist aktuell bedroht durch die seit längerer Zeit perfide Ratspolitik.

Rostock geht uns alle an! Sonst sind wir alle bald nur noch Rostock!

AUFRUF!!!


An alle Theaterfördervereine von Oper, Schauspiel, Tanztheater, Orchester und Puppentheater, an alle Kulturfördervereine, an alle Theater-Ensembles in ganz Deutschland!

Wir, die Initiative Volkstheater, laden Euch alle ein, am 12. und 13. April zu einer von uns einberufenen Zuschauerkonferenz nach Rostock zu kommen, das Volkstheater zu besetzen, damit wir unabhängig und selbständig über unsere Sehnsüchte und Bedürfnisse beraten und damit wir im Anschluss unsere Belange
bundesweit vertreten können. Wir werden Arbeitsgruppen bilden, um Erfahrungen auszutauschen und diese in Entschließungen zu gießen, mit denen wir einen Forderungskatalog formulieren, den wir dann an die Bundes-, Landes- und Kommunalpolitik übergeben. Unsere Steuergelder werden offensichtlich von
kulturell ungebildeten Politikern verwaltet und verteilt. Wohin aber die Reise unserer Kulturnation in einer globalisierten Welt gehen soll, das sollten wir Theater-Zuschauer-Bürger in Deutschland mitbestimmen und durchsetzen.

 

Die Initiative Volkstheater Rostock und viele Zuschauer-Bürger, werden Übernachtungen für Euch bereitstellen. Wir wollen eine starke außerparlamentarische Bürger-Phalanx bilden, um vor der
Dringlichkeitssitzung der Rostocker Bürgerschaft gegen die stattgefundene Abberufung des Intendanten Sewan Latchinian zu demonstrieren!

Also: Busse über Busse nach Rostock, um ein Kultur- und Bildungshappening noch nie gesehenen Ausmaßes erstehen zu lassen.

Sonntag 12.04.15 Anreise


Sonntag 12.04.15, 17.00 Uhr Besetzung des Volkstheaters + Konferenz


Montag 13.04.15, 10.00 Uhr Besetzung des Volkstheaters + Konferenz + Einladung Politiker


Montag 13.04.15, 17.00 Uhr Demonstration vor dem Rathaus, Neuer Markt, Rostock


GASTREDNER: Dr. Wolfgang Thierse (SPD)

Unsere Künstler brauchen uns jetzt!
 Es geht um unsere, die Würde der Bürger in den Ländern,
Städten und Gemeinden für eine klügere und bessere Welt!!!

Infos, Kontakt + Dialog ist über unsere Facebook-Gruppe „Initiative Volkstheater Rostock“ möglich!

 

 

05.04.2015 Offener Brief von Roland May, Generalintendant Theater Plauen-Zwickau an Oberbürgermeister Methling

 

Sehr geehrter Herr Methling,

mit großer Bestürzung haben wir von der fristlosen Entlassung des Rostocker Theaterintendanten Sewan Latchinian durch Sie und den Hauptausschuss der Bürgerschaft erfahren. Mit diesem Brief möchten wir uns ausdrücklich der Forderung des Deutschen Bühnenvereins in Vertretung von Ulrich Khuon und Holger Schulze anschließen, die Kündigung schnellstmöglich zurückzunehmen.

Auch wir sehen die zur Begründung der fristlosen Kündigung herangezogenen Äußerungen von Herrn Latchinian nicht als ausreichenden Grund für eine solch gravierende Maßnahme und eher als Vorwand sich eines engagierten Theatermannes zu entledigen. Herr Latchinian hat sich in den vergangenen Monaten in beispielhafter Weise für das Rostocker Theater und damit für die Stadt Rostock eingesetzt. Ihr Schritt ist schon daher völlig unangemessen.

Einem Theater in einer so schwierigen Zeit mitten in der Spielzeit von einem auf den anderen Tag seinen Intendanten zu nehmen, verunsichert die Belegschaft, bringt sämtliche Abläufe durcheinander und wirkt auch kontraproduktiv auf die Besucherzahlen und das Ansehen des Hauses.

Wir fordern Sie auf, den massiven Protesten aus der Bevölkerung und der Kulturszene nachzugeben und die Kündigung zurückzunehmen.

Mit freundlichen Grüßen

Roland May

Generalintendant Theater Plauen-Zwickau

 

 

06.04.2015 Offener Brief des Schauspielensembles Schwerin an die Rostocker Bürgerschaft per Adresse Dr. Wolfgang Nitzsche, Präsident der Bürgerschaft der Hansestadt Rostock

Sehr geehrte Damen und Herren der Rostocker Bürgerschaft

 


Obgleich die Form sich wandelt, die Blüte wahrer Kunst verwelkt nie. So wird in einem japanischen Gedicht die Tradition des Theaters beschrieben. Wir als Schweriner Schauspielensemble verstehen diesen Satz heute vor allem als Maxime einer gelungenen Kulturpolitik.


Denn bei aller Veränderung ist es doch immer nötig, dass diese Blüte gepflegt wird. Ist man mit der Pflege nachlässig, stirbt sie unweigerlich ab.
Als ganz ähnlich empfinden wir die derzeitige Situation der Theaterlandschaft in Mecklenburg-Vorpommern. Der Kultusminister setzt außer dem Spardiktat wenig künstlerische Akzente und scheint vor allem um einen funktionierenden Abbau der kulturellen Ressourcen bemüht. Bei all dem wirklich nötigen Diskurs über den Wert von Kultur und Theater in einem Land wie Mecklenburg-Vorpommern bleibt es nicht aus, dass unterschiedliche Meinungen aufeinander treffen, Dinge zugespitzt und nicht immer treffend formuliert werden.


Leider hat diese Debatte mit der fristlosen Kündigung von Herrn Latchinian einen neuen Höhepunkt erreicht. Für uns als außenstehendes Ensemble scheint der Affront um den Vergleich der Landespolitik mit der Kulturgüterzerstörung des IS nur ein Vorwand, um einen unbequemen, missliebigen Intendanten loszuwerden.


Vor der Berufung zum Intendanten des Rostocker Theaters verwunderte Herr Latchinian uns noch mit seiner Äußerung das Theater im Zweifelsfall auch mit zwei Sparten führen zu können. Umso mehr haben wir uns gefreut, als wir mitbekamen, dass Herr Latchinian später eindeutig für den Erhalt des gesamten Theaters kämpfte.


Als Künstler halten wir es für entscheidend wichtig, dass der Intendant die Kunst mit ihm allen zur Verfügung stehenden Mitteln verteidigt und sie vor weiterem Abbau und Beschädigung schützt. Dafür wurde er letztendlich auch besetzt. Von einem Leiter eines Kulturbetriebs erwarten wir als Kernkompetenz, dass er die Institution als solche verteidigt und von ihr jedweden Schaden
abwendet. Und natürlich erwarten wir auch auf der anderen Seite eine Offenheit im Diskurs und eine differenzierte Debatte über Struktur und die Ziele von Theater.


Für uns als Außenstehende ist es in diesem konkreten Fall sekundär, ob Herr Latchinian die erwarteten Zuschauerzahlen erfüllt oder ob jedes künstlerische Produkt qualitativ allen Anforderungen gerecht wird. Entscheidend dabei ist allein, dass ein Intendant wegen einer singulären Aussage fristlos gekündigt wurde. Diesen Vorgang halten wir für untragbar. Gerade diese bewusste Instrumentalisierung einer politisch nicht auf abgesichertem Boden stehenden Aussage ist es doch, was so viele Leute heute an der Politik verzweifeln lässt. Sie selbst unterminieren damit ihre Glaubwürdigkeit und ihre Integrität und fördern damit langfristig nur umso mehr den wachsenden Vertrauensverlust gegenüber deutschen Politikern und der Demokratie im Allgemeinen.


Das Deprimierendste daran ist, dass am Ende alle Verlierer sein werden. Die Zuschauer, das deutsche Kulturwesen, das Bundesland und vor allem auch Sie selbst.


Wir fordern Sie hiermit auf die Kündigung von Herrn Latchinian zurückzunehmen und sich mit dem Intendanten auf Arbeitsebene konstruktiv und progressiv auseinanderzusetzen. Vielleicht kann mittelfristig in diesem zwar anstrengenden aber dringend nötigen Diskurs eine echte Lösung gefunden werden - für das Theater respektive die Zuschauer in Rostock, aber natürlich auch für die gesamte Kulturlandschaft Mecklenburg-Vorpommerns.

 


Mit freundlichen Grüßen, das Schauspielensemble des Mecklenburgischen Staatstheaters Schwerin.

 

 

Deutscher Bühnenverein, 10. April 2015: Der Präsident des Deutschen Bühnenvereins, Professor Klaus Zehelein, übt scharfe Kritik an der Kulturpolitik der Stadt Rostock. Das teilt der Bühnenverein in einer Presseaussendung mit.

 

"Man hat es seit Jahren in Rostock an einem behutsamen und sachgerechten Umgang mit dem Volkstheater fehlen lassen, das geht so nicht weiter", sagte Zehelein am heutigen Freitag in Köln. Eine Rückkehr zu einer "konstruktiven Kulturpolitik" sei "mehr als überfällig". Die Stadt Rostock zeige einen "völlig inakzeptablen Umgang mit ihren Intendanten". Durch "unzumutbare Vorgehensweise" treibe man diese vor sich her, um sie dann "bei nächst bester Gelegenheit zu entlassen". Mehrere Intendanten hätten so das Theater frühzeitig verlassen müssen. "Das hat in Rostock Methode", so Zehelein. Zudem habe man das Gebäude des Theaters vor die Hunde gehen lassen.

Schon der Hals über Kopf von der Stadt Ende 2013 betriebene und von der Theaterleitung umgesetzte Austritt aus dem Bühnenverein sei so etwas wie der Anfang vom Ende gewesen. Dass man viele Mitarbeiter des Volkstheaters im Gegensatz zu den Mitarbeitern der Stadt ihrer tariflichen Rechte beraubt, scheint den Rostocker Politikern und Politikerinnen völlig egal zu sein.

Zehelein fordert die Rücknahme der Entscheidung über die Spartenschließung; einen Neubau des Volkstheaters; die Aussprache zwischen der Stadt Rostock und dem entlassenen Intendanten Sewan Latchinian mit dem Ziel einer Verständigung über die Fortsetzung des Intendantenvertrags; den Wiedereintritt des Volkstheaters in den Deutschen Bühnenverein; eine vom Land einzuberufende Konferenz über die Zukunft der Theater- und Orchesterlandschaft in Mecklenburg-Vorpommern; eine Abkehr der Landesregierung von der Einfrierung der Theater- und Orchesterförderung.

Nur auf diesem Weg lasse sich aus Zeheleins Sicht das "kulturpolitische Desaster um das Volkstheater Rostock" noch aufhalten.