Für offene und sichere Theater und gegen pauschale Maßnahmen
Der Deutsche Bühnenverein fordert im zweiten Corona-Winter von Bund, Ländern und Kommunen ein konsequentes Vorgehen und ein deutliches Bekenntnis zur Kultur. Der Verband fordert klare Kommunikation in der Pandemie, warnt vor allzu pauschalen Maßnahmen für die Theater und Orchester und erwartet ein differenziertes Konzept, damit die Häuser geöffnet bleiben können. Das ist gerade mit Blick auf die sich aktuell im Lichte neuer Virusvarianten verändernde Pandemielage wichtig. Ziel müsse eine Fortsetzung des Spielbetriebs mit größtmöglichem Schutz für Beschäftigte und Besucher:innen sein. Der Bühnenverein befürchtet, dass die Situation für Theater und Orchester sowie für selbstständige darstellende Künstlerinnen und Künstler wieder äußerst schwierig wird.
Folgende sieben Punkte sind aus der Sicht des Bühnenvereins in den kommenden Wochen entscheidend:
(1) Es braucht verlässliche Rahmenbedingungen für den Spielbetrieb. Mit flächendeckenden 2G- und 2Gplus-Regeln für das Publikum lassen sich Kulturveranstaltungen nach derzeitigem Stand sicher durchführen. Neben Abstandsregeln, umfangreichen Hygieneplänen, konsequenten Test- und Impfkontrollen, der Möglichkeit zur Maskenpflicht, Wegeleitungen für Besucher:innen und Desinfektionsregeln hat sich vor allem gezeigt, dass die im Theater vorhandenen raumlufttechnischen Anlagen von entscheidender Bedeutung sind, wenn es darum geht, das Infektionsrisiko zu minimieren. Gemeinsam mit der Politik und technischen Expert:innen haben viele Theater und Konzertsäle ihre Lüftungsanlagen nicht nur überprüft, sondern im Laufe der letzten Monate technisch aufgerüstet, so dass der Sicherheit für Besucher:innen eine noch höhere Priorität eingeräumt wurde. Feste Regeln und die umfänglichen Erfahrungen, die zum Teil durch Studien untermauert wurden, sollten überall in Deutschland zum Standard werden. Sie schützen und helfen, flächendeckende Schließungen zu vermeiden.
(2) Es braucht verlässliche Kommunikation zwischen Politik und Kultureinrichtungen. Noch ist unklar, inwiefern die neue Virusvariante Omikron die Lage grundsätzlich verändern wird. Aber generell gilt: Wo regional aufgrund eskalierender Pandemiesituationen weitergehende Beschränkungen oder gar Schließungen notwendig sein sollten, braucht es frühzeitige und verlässliche Kommunikation zwischen den Verantwortlichen und den Kultureinrichtungen. Das gilt erst recht, falls weitergehende Maßnahmen aufgrund einer generellen Veränderung der Pandemielage notwendig werden sollten. Wir sehen mit Sorge, dass das novellierte Infektionsschutzgesetz den Ländern beinahe ausschließlich im Bereich kultureller Veranstaltungen erweiterte Handlungsmöglichkeiten zu bieten scheint. Wenn es zu Kontaktbeschränkungen kommen muss, müssen alle gesellschaftlichen Bereiche betrachtet werden können. Eine erneute einseitige Benachteiligung der Kunst darf es nicht geben.
(3) Es braucht verlässliche Rahmenbedingungen für die Betriebsstätten und Arbeitsplätze. Die neue Vorgabe von 3G am Arbeitsplatz stellt neben den bisherigen Maßnahmen einen weiteren Baustein für einen sicheren Betrieb dar und ist die Grundlage dafür, den Proben- und Aufführungsbetrieb aufrecht zu erhalten. Die Theater und Orchester unternehmen seit Monaten große Anstrengungen, um einen auch für die Beschäftigten sicheren Betrieb auf, vor und hinter den Bühnen zu gewährleisten.
(4) Es braucht weiterhin wirtschaftliche Unterstützung für die Kulturbetriebe. Der Sonderfonds für Kulturveranstaltungen muss angepasst werden, damit auch regional starke Beschränkungen besser abgefedert werden können. Die Ausfallabsicherung muss auch freiwillig abgesagte Veranstaltungen umfassen, die sich unter den aktuellen Bedingungen nicht mehr wirtschaftlich durchführen lassen. Eine Situation, in der Veranstaltungen zwar nicht formal abgesagt werden, aber zugleich wirtschaftlich nicht mehr durchführbar sind, wäre für die Kulturbetriebe nicht auszuhalten.
(5) Kurzarbeit muss weiterhin zu den in der Pandemie vereinbarten Bedingungen möglich sein. Wir sehen mit Sorge, dass hier Rahmenbedingungen und Anreize zu früh wieder verschlechtert werden sollen. Der Deutsche Bühnenverein hat sich mit den Künstler:innen-Gewerkschaften erfolgreich auf die Wiedereinführung der COVID-Tarifverträge bis zum 31. Dezember 2021 verständigt, um seinen Mitgliedern die Chance zu geben, schnell auf plötzliche Verschärfungen der Infektionslage zu reagieren. Die TV COVID gelten im Bereich NV (Normalvertrag) Bühne und TVK (Tarifvertrag für Konzert- und Theaterorchester) für Theater, die den TVöD anwenden, und regeln die Möglichkeiten zur Kurzarbeit.
(6) Die Hilfen des Bundes für soloselbstständig und hybrid beschäftigte Künstler:innen und Kreative müssen fortgesetzt und die Zahlung von Ausfallhonoraren durch die Rechtsträger unmissverständlich ermöglicht werden.
Die NEUSTART-KULTUR-Hilfen des Bundes, die zahlreichen Stipendienprogramme und weitere Mittel in vielen Kultursparten werden erneut zu wichtigen Leistungen werden, um durch die angespannte Situation zu kommen.
(7) Der Weg aus der Pandemie ist die Impfung. Wir unterstützen alle Anstrengungen, die Zahl der Erst-, Zweit- und Booster-Impfungen massiv zu erhöhen. Zahlreiche Mitgliedshäuser bieten sich als Impforte an, unterstützen Impfkampagnen und organisieren Aktionen, die für die Impfung werben. Das werden wir weiterhin tun – aus gesellschaftlicher Verantwortung und weil es in unserem Interesse liegt, noch sicherer zu veranstalten.
Dazu sagte Carsten Brosda, Präsident des Deutschen Bühnenvereins: „Aktuell sind bereits rund 68 Prozent der Gesamtbevölkerung vollständig gegen das Corona-Virus geimpft. Das ist noch lange nicht ausreichend, unterscheidet aber schon jetzt die Situation deutlich von derjenigen im letzten Winter. Dieser Unterschied muss eine Rolle spielen. Ausgereifte Hygienepläne, verbindliche 2G- und 2Gplus-Konzepte sowie verstärkte Anstrengungen bei der Impfung bieten die Chance, die Häuser angemessen sicher offen zu halten und pauschale, flächendeckende Schließungen zu vermeiden. Wir brauchen gerade jetzt künstlerische und kulturelle Impulse in einer sich immer weiter verschärfenden Lage. Neben gutem Pandemiemanagement braucht es jetzt vor allem auch öffentliche Vernunft und Verständigungsbereitschaft. Es braucht eine veränderte Kultur des gesellschaftlichen Umgangs. Deshalb muss es jetzt politisch auch darum gehen, Kultur weiterhin kraftvoll zu ermöglichen und zugänglich zu halten.“
Das neue Infektionsschutzgesetz verschafft den Häusern unter anderem klarere Regelungen für das Betreten der Gebäude. Für Beschäftigte gilt die 3G-Regel, die Arbeitgeber:innen müssen die Einhaltung täglich überwachen und dokumentieren. Dies erhöht die Sicherheit und erleichtert daher für die meisten Theater die Aufrechterhaltung des Spielbetriebs. Marc Grandmontagne, Geschäftsführender Direktor des Bühnenvereins, sagte: „Das Infektionsschutzgesetz sorgt für mehr Klarheit und Sicherheit für alle Beschäftigten und stärkt die Handlungsfähigkeit der Arbeitgeber:innen. Diese haben die Verantwortung gegenüber den Beschäftigten und den Besucher:innen, für den größtmöglichen Schutz zu sorgen, aber auch den Spielbetrieb fortzusetzen. Wir erwarten daher von der Politik ein klares Bekenntnis, die Kultureinrichtungen geöffnet zu lassen und nicht anders zu behandeln, als das sonstige öffentliche Leben.“